Unparteilichkeit im Untersuchungsverfahren gewährleisten – Ausschussvorsitz im Untersuchungsausschuss 7/1 neu besetzen
Unparteilichkeit im Untersuchungsverfahren gewährleisten – Ausschussvorsitz im Untersuchungsausschuss 7/1 neu besetzen
Dringlichkeitsantrag
der AfD-Fraktion
Unparteilichkeit im Untersuchungsverfahren gewährleisten – Ausschussvorsitz im Untersuchungsausschuss 7/1 neu besetzen
Der Landtag stellt fest:
Der derzeitige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses 7/1, Daniel Keller (SPD), leitet das Untersuchungsverfahren weder unparteiisch noch gerecht und wahrt nicht die parlamentarische Ordnung im Untersuchungsausschuss.
Der Landtag möge beschließen:
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses 7/1 wird gemäß § 4 Absatz 3 des Brandenburgischen Untersuchungsausschussgesetzes von seinen Aufgaben entbunden und der Ausschussvorsitz im Untersuchungsausschuss 7/1 unverzüglich neu besetzt.
Begründung:
I. Verletzung des § 5 Absatz 1 Satz 2 Brandenburgisches Untersuchungsaus- schussgesetz
Der gegenwärtige Vorsitzende im Untersuchungsausschuss 7/1, Daniel Keller (SPD), leitet
das parlamentarische Verfahren im Landtag Brandenburg zur „Untersuchung der
Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19“ weder unparteiisch noch gerecht, obwohl ihn die gesetzliche Regelung des § 5 Absatz 1 Satz 2 des Brandenburgischen Untersuchungsaus- schussgesetzes dazu verpflichtet. Durch sein parteiisches und ungerechtes Verhalten ist er nicht imstande, die Ordnung im Untersuchungsausschuss zu wahren.
1. Parteiischer Umgang mit Beweisanträgen
Bereits seit der ersten ordentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses 7/1 am 07.12.2020 ist das Auftreten des Vorsitzenden von einer permanenten Verletzung der politischen Neutralität gekennzeichnet. So wurden in jener Sitzung auf sein Geheiß hin durch den Ausschussdienst Beschlussvorlagen an die Ausschussmitglieder verteilt, die die Zurückweisung von einzelnen Beweisanträgen der Mitglieder der AfD-Fraktion vorsahen. Dabei ist es nicht Aufgabe des Vorsitzenden, die Ausschussmehrheit zu einem bestimmten Beschluss zu drängen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Vorsitzende hat sich parteipolitisch neutral zu verhalten, um ein ordnungsgemäßes, der parlamentarischen Würde des Landtags entsprechendes und die Einsetzungsminderheit berücksichtigendes Unter- suchungsverfahren zu gewährleisten.
Der Umgang des Ausschussvorsitzenden mit Beweisanträgen wurde ihm gegenüber durch den Obmann der AfD-Fraktion in der Vergangenheit schon mehrfach – auch schriftlich – gerügt. Es ist wiederholt vorgekommen, dass der Ausschussvorsitzende mit kurz vor einem Sitzungstermin den Ausschussmitgliedern über das Ausschusssekretariat versandten „Anmerkungen des Vorsitzenden“ seine Auffassung zu bestimmten Beweisanträgen mitgeteilt hat, um so die Ausschussmehrheit zu einem von ihm gewünschten Beschluss zu drängen. Ausnahmslos folgte die Ausschussmehrheit unter Federführung der Regierungsfraktionen den Beschlussempfehlungen des Vorsitzenden. Dadurch wurde das Beweiserhebungsrecht der konkreten Ausschussminderheit aus Art. 72 Absatz 3 Satz 2 Landesverfassung Brandenburg in Verbindung mit § 15 Absatz 2 Brandenburgisches Untersuchungsausschussgesetz verletzt. Die konkrete Ausschussminderheit in Gestalt der drei AfD-Abgeordneten im Untersuchungsausschuss hat deshalb nunmehr um gerichtliche Hilfe beim Landesverfassungsgericht nachgesucht, um die Verfassungswidrigkeit dieser Beschlüsse feststellen zu lassen.
Auch unterbreitete der Ausschussvorsitzende in mehreren Sitzungen Vorschläge dergestalt, dass Beweisanträge der Ausschussmitglieder der AfD-Fraktion „zurückgestellt“ werden sollten. Der Zurückstellung folgte mit etwas zeitlichem Abstand in der Regel die Zurückweisung von Beweisanträgen, und zwar mit der unhaltbaren Behauptung, dass die zu untersuchenden Vorgänge bereits hinreichend beleuchtet worden seien, obwohl die Beweismittel gänzlich andere waren. Auch dies ist mit dem Beweiserhebungsrecht zugunsten der Ausschussminderheit nicht in Einklang zu bringen.
2. Ungerechte und parteiische Sitzungsleitung und dadurch gezielte Verhinderung des Untersuchungserfolgs
Darüber hinaus ist das parteiische und ungerechte Verhalten des Ausschussvorsitzenden insbesondere im Rahmen von Zeugenvernehmungen offen zutage getreten. Schon während der ersten Beweisaufnahme im Januar 2021 war seine Sitzungsleitung davon geprägt, dass Fragen von Abgeordneten der AfD-Fraktion an Zeugen kommentiert, hinterfragt, mit dem zugrundeliegenden Beweisbeschluss abgeglichen oder gar gänzlich als unzulässig zurückgewiesen wurden. Hingegen waren etwa Abgeordnete der SPD-Fraktion ohne Weiteres in der Lage, Fragen jenseits von vorher abgestimmten Themenkomplexen oder zugrundeliegenden Beweisbeschlüssen zu stellen. Dieses Vorgehen hat sich bislang in jeder Sitzung wiederholt. Insbesondere wurden Fragen der AfD-Abgeordneten im Ausschuss in einer gewissen Regelmäßigkeit als unzulässig zurückgewiesen, obwohl sie sich nicht nur auf den jeweiligen Beweisbeschluss bezogen, sondern auch in Bezug auf konkrete Wahrnehmungen des Zeugen gestellt wurden.
Durch ständige Unterbrechungen und Kommentierungen von Fragen während Zeugenvernehmungen ist ein ordnungsgemäßes Untersuchungsverfahren nicht möglich. In der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses 7/1 am 12.11.2021 ging die Einflussnahme des Vorsitzenden sogar so weit, dass er eine gezielte Befragung eines Regierungsmitglieds unterband, um die Zeugin so vor der Beantwortung anscheinend unangenehmer Fragen zu bewahren. So äußerte die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, Britta Ernst (SPD), dass Schulschließungen von der Ministerpräsidenten- konferenz (MPK) bereits am 12.03.2020 beschlossen worden seien, also vor der Veröffentlichung der von Ministerpräsident Dr. Woidke als entscheidend für die Corona- Eindämmungsmaßnahmen angesehenen „Bilder von Bergamo“.
Die Frage nach der Bindungswirkung dieser MPK-Beschlüsse mit Blick auf Art. 89 der Landesverfassung Brandenburg beantwortete Frau Ministerin Ernst sodann dahingehend, dass die Beschlüsse „handlungsleitend“ gewesen seien. Weitere Fragen hierzu, insbesondere danach, was unter „handlungsleitend“ zu verstehen sei, unterband der Aus- schussvorsitzende mit der Falschbehauptung, dass diese schon beantwortet seien.
Durch diese aktive Verhinderung von Fragen an die Zeugin Ernst hat der Ausschuss- vorsitzende das Untersuchungsverfahren an einem neuralgischen Punkt, nämlich der Frage nach der Bindungswirkung von Beschlüssen eines nicht von der Verfassung vorgesehenen und nicht demokratisch legitimierten Gremiums für die Brandenburger Minister, beeinträchtigt und so den Untersuchungserfolg des Ausschusses wesentlich gefährdet. Schließlich ist es gerade originäre Aufgabe eines parlamentarischen Untersuchungs- ausschusses, politische Verantwortlichkeiten zu untersuchen. Ein solches Vorgehen wie das von Daniel Keller ist mit der parteipolitischen Neutralität des Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses schlechthin unvereinbar. Vergleichbare Vorgänge mussten auch bei den zeugenschaftlichen Vernehmungen des brandenburgischen Ministerpräsidenten sowie der Gesundheitsministerin des Landes Brandenburg festgestellt werden. Auch bei diesen Zeugenvernehmungen wurden zahlreiche wichtige, für den Untersuchungserfolg des Ausschusses maßgebliche Fragen noch vor der Beantwortung unterbunden. Im Fall von Ministerpräsident Dr. Woidke und der Bildungsministerin Ernst kommt erschwerend hinzu, dass der Ausschussvorsitzende mit seinem Handeln offenbar gezielt Parteigenossen schützen wollte.
3. Verhinderung von Obleuterunden
Weiterhin ist das Agieren des Ausschussvorsitzenden Keller von Beginn des Untersuchungsverfahrens an davon geprägt, Mitglieder einer bestimmten Fraktion, nämlich der AfD-Fraktion, deren 23 Mitglieder den Untersuchungsausschuss eingesetzt haben, von der Partizipation am Untersuchungsprozess abzuhalten. So verhinderte der Ausschuss- vorsitzende gleich mehrmals die Anberaumung von Obleuterunden, die es ermöglicht hätten, im Vorfeld von Ausschusssitzungen offenbar problemträchtige Themen zu besprechen. Stattdessen gab es nur einen anderweitig organisierten informellen, fraktionsübergreifenden Austausch unter Ausschluss der Mitglieder der AfD-Fraktion. Auch das wurde im Ausschuss – und auch außerhalb – vom Obmann der AfD-Fraktion entsprechend gerügt.
4. Keine Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Untersuchungsverfahrens
Ferner ist auch ein ordnungsgemäßes Untersuchungsverfahren schon deshalb unter dem gegenwärtigen Vorsitzenden nicht gewährleistet, weil der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses 7/1 die Beauftragte der Landesregierung, Frau Haferkorn, an nichtöffentlichen Sitzungen des Ausschusses teilnehmen lässt, obwohl in diesen nichtöffentlichen Sitzungsteilen insbesondere über Beweisanträge und damit über den Fortgang der Untersuchung, die gerade das Handeln der Landesregierung zum Gegenstand hat, beraten wird. Der bislang in jeder Sitzung vorgetragene Widerspruch der Abgeordneten der AfD-Fraktion im Ausschuss hierzu wurde vom Ausschussvorsitzenden lediglich zu Protokoll genommen.
5. Versuchte Einflussnahme auf Medienveröffentlichungen
Zu allem Überfluss versuchte der Ausschussvorsitzende am 14.05.2021 Einfluss darauf zu nehmen, wie – und damit auch welche – Informationen aus öffentlicher Sitzung noch während der laufenden Beweisaufnahme im Internet verbreitet werden. Konkret versuchte er im Gespräch mit dem Obmann der AfD-Fraktion, die Verbreitung von Informationen zu untersagen, und zwar auch solcher, die nur die AfD-Fraktion selbst und nicht Mitglieder des Untersuchungsausschusses betrafen. Eine solche Einflussnahme mit offenkundig parteipolitischem Kalkül steht dem Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses nicht zu.
II. Konsequenz aus all dem: Abwahl des Ausschussvorsitzenden Daniel Keller Insgesamt sind alle mündlichen und auch schriftlichen Mahnungen der konkreten Einsetzungsminderheit an den Ausschussvorsitzenden zu rechtskonformer, parteipolitisch neutraler und gerechter Sitzungsleitung ins Leere gegangen, weshalb nur noch durch Abwahl des jetzigen und Neuwahl des Ausschussvorsitzenden ein unparteiisches, gerechtes und ordnungsgemäßes Untersuchungsverfahren möglich ist.
Berichterstattung:
https://www.zeit.de/news/2021-11/16/afd-will-chef-von-corona-untersuchungsausschuss-absetzen?
https://www.rtl.de/cms/afd-will-chef-von-corona-untersuchungsausschuss-absetzen-4866965.html